Kleidung aus Papier? Das hört sich im ersten Moment nicht nur ungewöhnlich an. Es ist auch ungewöhnlich. Allerdings gibt es Bekleidung aus Papier seit mehr als tausend Jahren, soweit die Geschichten darüber stimmen. Als Ursprungsland gilt Japan.
Ursprünge und Geschichte der Kleidung aus Papier
In einer Legende wird erwähnt, dass sich im Jahr 988 ein japanischer Mönch provisorisch ein Hemd aus Papier – japanisch Kamiko – anfertigte, und zwar aus einzelnen Seiten heiliger Schriften Buddhas.
Die Idee war aus der Not heraus geboren, um einigen Besuchern in sauberen Kleidern entgegentreten zu können. In der Folge haben andere Mönche ihrem Glaubensbruder nachgeeifert und ebenfalls Papierhemden getragen. Später hat sich die Sitte auch in anderen Schichten der Gesellschaft verbreitet.
Es waren vor allem Bauern, die aus wirtschaftlichen Gründen Papierkleidung anfertigten. Materialien wie die heute gängige Baumwolle standen ihnen nicht zur Verfügung. Seide war für die Bauern nicht nur ein unerschwingliches Luxusgut, sondern für diese Bevölkerungsgruppe auch nicht erlaubt.
Beim Papier sah das anders aus, denn das konnten die Bauern selbst produzieren. Sie nutzten es für Fenster und Wände, für Taschen, Schirme und Laternen. Warum also nicht auch für Kleidung? Für das „Washi“ genannte Material verwendeten sie die Fasern des sogenannten Papiermaulbeerstrauchs, die ein sehr stabiles Papier ergaben. Zusätzlich wurde es imprägniert und bewusst zerknittert, um es für das Tragen am Körper geschmeidiger zu machen.
Ein „Kamiko“ der damaligen Zeit schützte recht gut vor Hitze, Kälte und sogar Nässe. Trotzdem war es kein besonders haltbares Kleidungsstück. Nachdem es ein paar Mal getragen wurde, landete es im Müll, denn es konnte nicht gewaschen und gesäubert werden.
Ob diese Legende wahr ist oder nicht, ob der Erfinder wirklich ein Mönch war, lässt sich heute nicht mehr mit Gewissheit sagen. Gesichert ist jedoch, dass buddhistische Mönche in Japan das Tragen von Papiergewändern zu einer Tradition machten und später auch wohlhabendere Bürger den Kamiko für sich entdeckten. Allerdings hatten sie Geld genug, um sich weißes Papier leisten zu können, während die arme Bauernschaft gelblich-braun gekleidet war.
Kleider aus Papier sind – wie viele andere Dinge auch – aus der Not geboren, wie die Legende des japanischen Mönchs und die Geschichte der Bauern in Japan zeigt. |
Shifu – der Nachfolger des Kamiko
Generationen später, wahrscheinlich ab dem 16. Jahrhundert, entstand in Japan Bekleidung aus Shifu. Dabei handelt es sich um Papierblätter aus nicht mehr gebrauchten Büchern, die in endlose Streifen geschnitten und zu Fäden gedreht oder gewebt wurden, um sie noch stabiler zu machen. Vorreiter war hier ebenfalls die Landbevölkerung, weil höherwertige Textilien Mangelware oder nicht zu bezahlen waren. Die Bauern perfektionierten die Technik so weit, dass sie das Papier sogar mit Spinnrädern verarbeiten konnten.
Zum Thema „Shifu“ gibt es auch eine Legende. Angeblich hatte ein Spion in den frühen Jahren des 16. Jahrhunderts eine oder mehrere geheime Nachrichten zerschnitten und in seine Kleidung gewebt. Auf diese Weise konnte er die Botschaften gefahrlos durch feindliches Gebiet schmuggeln und dem gewünschten Empfänger überbringen.
Mit der Zeit wurde die Technik der Shifu-Produktion so weit verfeinert, dass die Papierkleidung optisch wie ein edles Stoffgewand wirkte. Zum Teil wurde Shifu auch mit anderen Materialien kombiniert. Selbst die in Japan hoch angesehenen Samurai ließen sich ihre Trachten daraus schneidern, später auch Adlige. Shifu ist deutlich geschmeidiger und haltbarer als ein Kamiko.
Anfang des 20. Jahrhunderts kamen dann die ersten Baumwollimporte nach Japan, so dass die lange Tradition der Kamiko- und Shifu-Herstellung langsam ihren Abschied nahm. 1955 wurden die beiden Arten der Papierkleidung als japanisches Kulturerbe ausgezeichnet. Diese Auszeichnung ermöglicht es, staatliche Fördermittel zur Erhaltung dieser Techniken zu bekommen.
Papierkleidung in Europa und Nordamerika
Eine so lange Tradition der Kleidungsproduktion aus Papier gibt es in Europa und in Nordamerika nicht. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war Mode aus dem Material unbekannt. Im Gegenteil wurde aus alter Kleidung, aus Lumpen und Hadern sowie Papier gefertigt. Später kam Papier allenfalls als billiges Ersatzprodukt für einige wenige Kleidungsstücke auf den Markt. Dazu zählen zum Beispiel:
- Hemdkragen
- Manschetten
- Krawatten
- Vorhemden (eine Bedeckung der Brust, auch als Serviteurs bezeichnet)
- Totenbekleidung
Papiergarne und -gewebe nutzte man für Hüte, Uniformen, Futterstoffe und Unterwäsche. Weitere Artikel abseits von Bekleidung waren Schnüre für den Gebrauch in der Landwirtschaft, Möbel und Polsterbezüge, (Hand-)Taschen oder auch Puppenwagen.
Die Herstellung in Europa und Nordamerika erfolgte von Beginn an industriell, indem das Papier von Endlosrollen abgewickelt und mit Spinn- und Schneidemaschinen verarbeitet wurde.
Eine handwerkliche Tradition wie in Japan gibt es hier nicht. Auch die Verbreitung von Papierbekleidung hielt sich in Grenzen. Größeren Bedarf gab es lediglich in den beiden Weltkriegen und den jeweiligen Nachkriegszeiten. Aufgrund ihrer unelastischen und harten Eigenschaften, den schlechten Reinigungsmöglichkeiten und dem geringen Tragekomfort waren und sind Kleidungsstücke aus Papier höchst unbeliebt.
Das lag unter anderem auch daran, dass es in der westlichen Welt keine geeigneten Pflanzenfasern wie in Asien gibt. Das relativ steife Material aus Holzfasern oder Altpapier wird nahezu ausschließlich zum Beschreiben und Bedrucken verwendet.
Modische Aspekte und kleiner Boom in den 1960er Jahren
Im Jahr 1966 kam es allerdings zu einem kurzen, aber recht heftigen Boom. Ursache war ein Werbegag des US-amerikanischen Papierherstellers Scott Paper Company. Das Unternehmen war zuvor nicht als Modeschöpfer in Erscheinung getreten, sondern lediglich – oder immerhin – als Erfinder der Toilettenpapierrolle bekannt. Es bot in Inseraten Papierkleider an, die nur 1,25 US-Dollar pro Stück kosteten beziehungsweise für gesammelte Treuepunkte auch verschenkt wurden.
Was als Scherz gedacht war, entwickelte sich zu einem unerwarteten Erfolg. In kurzer Zeit gingen bei Scott etwa eine halbe Million Bestellungen ein. Dadurch animiert, stiegen auch andere Hersteller in das Geschäft ein. So fertigte etwa die Mars Manufacturing Company 1967 innerhalb einer Woche 80.000 Kleider, die für einen Preis zwischen einem und acht Dollar zu kaufen waren.
Zahlreiche renommierte Modemagazine beschäftigten sich ausgiebig und ernsthaft mit der Wegwerfkleidung, und Stars wie die Schauspielerin Claudia Cardinale zeigten sich öffentlich im „Paper Dress“.
Der Trend hielt nicht lange an, denn das Tragen von Papierkleidung erforderte große Vorsicht, zum Beispiel bei Regen, bei ruckartigen Bewegungen oder in der Nähe von rauchenden Menschen.
Wie so vieles, was in den USA erfunden und auf den Markt gebracht wurde, wurde die Erscheinung auch in Europa schnell salonfähig. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass die Kleidungsstücke nicht nur aus Papier bestanden.
Zur besseren Haltbarkeit wurden synthetische Fasern wie Viskose, Polyester und Polyamid beigemischt. Die so erzeugten Stoffe bekamen den Namen Vliesett.
Besondere Bedeutung gewann Vliesettkleidung in der ehemaligen DDR. Modische Kleidung war begehrt, jedoch rar. Und wenn möglich, sollte sie aus dem Westen stammen. Vliesett war billig, farbenfroh bedruckbar und bügelfrei. Zudem wurden die Kleider, Mäntel, Hemden etc. von der Werbung als leicht änderbar und einfach mit Klebeband zu reparieren angepriesen.
Man konnte den Stoff sogar bis zu fünf Mal waschen, bevor er entsorgt werden musste. Richtig überzeugt waren die Verbraucher jedoch weder im Westen noch im Osten. Auch hier hielt der Boom nur kurze Zeit an.
Papierkleidung heute
Im heutigen Alltag ist Papierbekleidung kaum zu sehen. Allerdings bedienen sich zahlreiche Designer und Modeschöpfer dieses Materials für ihre häufig sehr aufwändigen Kreationen. Bekannte Namen sind unter anderen:
- Sandra Baklund (Schweden)
- Christa de Carouge (Schweiz, 2018 verstorben)
- Sun Lee (Südkorea)
- Issey Myake (Japan, 2022 verstorben).
Einen sehr interessanten Beitrag lieferten Studenten der internationalen Modeschule Esmod aus Berlin auf der CeBIT 2010. Insgesamt 60 Studierende entwarfen 180 Designs für Mode, von denen am Ende 20 realisiert und auf der Messe in einer Show präsentiert wurden. Das Motto des Projekts hieß „Papier ist ab sofort für etwas Besseres da“. Sämtliche Entwürfe wurden aus alten Bürodokumenten angefertigt.
Kostüme aus Pappe
Kostüme aus Pappe sind vor allem bei Kindern beliebt, beispielsweise zum Karneval oder auch zu Kindergeburtstagen. Nicht mehr gebrauchte Kartons finden sich praktisch in jedem Haushalt, sind also umsonst.
Was du hauptsächlich brauchst, ist Fantasie, um Tiere, Monster oder andere Gegenstände zu gestalten. Mit Schere und Cutter, Klebstoff, buntem Papier und Stoffresten, Plastik- und Metallteilen lassen sich wunderbare Kreationen realisieren. Je nach Alter können Kinder auch selbst aktiv werden und ihre Kostümwünsche vollständig oder teilweise anfertigen. Das macht auf jeden Fall Spaß und führt zu einzigartigen Ergebnissen, die man nicht in einem Geschäft kaufen kann.
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Vor- und Nachteile von Kleidungsstücken aus Pappe und Papier
Die größten Vorteile von Papierkleidung und -kostümen sind der günstige Preis für das Material und die einfache Verarbeitung. Im Internet finden sich zahlreiche Seiten mit entsprechenden Anleitungen. Nachteile sind die geringe Haltbarkeit und die Tatsache, dass die Kleidungsstücke nicht gewaschen werden können.
Fazit
Papier und Pappe ist – wie gesehen – nicht nur zum Bedrucken, Beschreiben und für die Hygiene da, sondern eignet sich auch für viele andere Kreationen. Mode aus Papier ist zwar nicht besonders haltbar und schon gar nicht pflegeleicht, aber es lassen sich fantastische Schöpfungen realisieren, die mit anderen Materialien so nicht zu machen sind. Pappe ist aufgrund ihrer Stabilität ein beliebter Werkstoff für Kostüme, beispielsweise zum Karneval. Sie ist umsonst zu haben und kann leicht und vielfältig bearbeitet werden.
FAQ
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Wann und wo wurde die erste Bekleidung aus Papier hergestellt?
Eine Legende besagt, dass sich ein buddhistischer Mönch in Japan im Jahr 988 ein Hemd (Kamiko) aus Papier fertigte, weil seine Kleidung schmutzig war und er einen angekündigten Besuch in sauberem Aufzug empfangen wollte. Die Tradition wurde in Japan über Jahrhunderte von Mönchen und vor allem von Bauern gepflegt, die sich andere Textilien nicht beschaffen oder leisten konnten.
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Gibt es heute noch Papierkleidung?
In Japan wird die Tradition der Kleidungsherstellung aus Papier noch vereinzelt gepflegt. In Nordamerika und Europa gab es in den 1960er Jahren einen kurzen Boom, der allerdings nicht lange anhielt. Für den praktischen Alltagsgebrauch ist das Material einfach zu empfindlich.
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